Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden am 29.02.2024

01.03.2024

Sehr geehrte Herr Stadtverordnetenvorsteher,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Gäste,

 

mit großem Vergnügen las in der OP vom 23.02.2024 nachfolgendes Zitat vom Kollegen Winter zum Thema Grundsteuererhöhung:
„Dass diese Versprechen bereits im ersten Haushalt, den die Allianz und Krey zu verantworten hätten, gebrochen werde, sei ein „herber Vertrauensverlust und Schlag für das Demokratieverständnis der Menschen in unserer Stadt“.

Ganz davon abgesehen, dass es bei Kollege Winter rhetorisch immer gleich der Untergang des Abendlandes sein muss, ist dieser Satz ein Eingeständnis, ein Offenbarungseid.

Indem er sagt, dass dieser HH unser erster ist bestätigt er implizit, dass der alte Kämmerer die Zusammenarbeit mit uns mit immer neuen Ausflüchten verweigert hat, und das wir fast drei wertvolle Jahre zur wirtschaftlichen Gesundung unserer Stadt verplempern mussten. 

Ich hatte das bereits vor zwei Jahren an gleicher Stelle durch meine Gesprächsnotizen schon mal dargelegt – muss ich also nicht noch mal tun.

Da ist er nun, der Haushalt, der nur mit einer Erhöhung der Grundsteuer ausgeglichen ist, etwas, was wir Liberalen eigentlich um fast jeden Preis verhindern wollten.

Aber eben nur um fast jeden Preis. In diesem Falle steht mal wieder die Handlungsfähigkeit der Verwaltung unserer Heimatstadt auf dem Spiel und eine neuerliche Hängepartie wollen und können wir nicht verantworten.

Am 10.11.2022 hat die Stadtverordnetenversammlung, bei Enthaltung der Allianzparteien beschlossen, die Grundsteuer B für 2024 um einen Ertrag von 2.65Mio. zu erhöhen.

Unser heutiger Vorschlag bleibt deutlich darunter, was u.a. auch an den ambitionierten Einsparmaßnahmen im HH liegt.

Die geplante Erhöhung auf 800 Punkte –  der Kämmerer hat es heute Abend und in der Sitzung des HaFi dargelegt – liegt etwas über der Inflationsrate seit der letzten Erhöhung der Grundsteuer in 2020 auf 650 Punkte.

Nur mal zur Einordnung:  Die Grundsteuer B wurde unter dem Ex-Kämmerer Tybussek, zwischen 2013 und 2020 in vier Schritten von 320 % auf 650% angehoben – also in knapp 7 Jahren mehr als verdoppelt, um präzise zu sein stieg sie um 103%.

In der gesamten Dekade „Tybussek“, also in 12 langen Jahren, lag die Inflation laut Verbraucherpreisindex bei gerade mal 30% – bei solidem Wirtschaftswachstum.

In den 3 Folgejahren zwischen 2020 und 2023 hatten wir eine Inflation von 17.3% – in Zeiten von Corona, Ukraine Krieg und Rezession!

Diese Erkenntnis ist aufschlussreich, macht den neuerlichen „Schluck aus der Pulle“ auf 800% allerdings nicht besser aber vielleicht etwas erträglicher.

Sie ist deswegen aufschlussreich, weil die Tybussek Ära sich 103% in einer Zeit gegönnt hat, in der sie auf Basis der Teuerungsrate nur 30% benötigt hätte.

Das Wohl der Steuerbürger hat da offensichtlich herzlich wenig interessiert.

Denn auf die Idee, die Deckungslücke mit der Wohnbau zu schließen, hätte man auch schon 2020 oder früher kommen können.

Der entsprechende Antrag der SPD liegt ja vor!

In der heutigen SPD gibt es ja durchaus kluge Leute und an sich ist der Vorschlag ja nicht falsch vorhandene Gelder zu nutzen. Er ist nur aus drei Gründen problematisch:

  1. Es müsste verstetigt werden, d.h. die Wohnbau müsste jedes Jahr zur Ader gelassen werden.
  1. Die Wohnbau würde über die Jahre ihre Fähigkeit verlieren, energetisch hochwertigen Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen und den Bestand zu erhalten. 
  1. Ich bin kein Steuerberater, aber es steht zu vermuten, dass diese Entnahme steuerpflichtig wäre, und mithin würden wir Geld verbrennen. Das müsste erst mal geklärt werden, bevor man einen solchen Beschluss fassen kann.

Steuererhöhungen sind definitiv nicht Teil liberaler „DNA“ und jede Faser in mir sträubt sich dagegen, aber wir werden zum Wohle der Stadt zustimmen.

Der Anlass, der diese Erhöhung auf 800% erforderlich macht, kam von außen. Wir lesen heute in der OP „Die Verursacher der Finanzmisere sind laut Verwaltung und Politik schnell ausgemacht. Die Finger zeigen dabei Richtung Land und Kreis.“

Das ist aber leider nur die halbe Wahrheit und offenbar ist weder in der Öffentlichkeit noch bei der OP angekommen, wie schlecht die finanzielle Lage unserer Stadt wirklich ist.

Würde unser HH nicht schon seit Jahren zu rund einem Drittel von Zuweisungen abhängen, d.h. von Geld welches andere Leute erwirtschaftet haben, dann hätte dieses Problem jetzt nicht so brutal durchgeschlagen.

Der kommunale Finanzausgleich wurde unter anderem dazu geschaffen, um ähnliche Lebensumstände für alle Kommunen auch in strukturell schwachen Teilen unseres Landes sicher zu stellen. Mühlheim ist aber nicht strukturell schwach! Mühlheim liegt im Rhein-Main Gebiet, mitten in einer der prosperierenden Regionen Europas.

Nach den Planungen des Landes Hessen werden im Jahr 2024  26 ertragsstarke Kommunen rund 133 Millionen zum KFA beitragen.

Ich frage mich warum hat hier niemals jemand den Ehrgeiz entwickelt, zu diesen besonders erfolgreichen Kommunen zählen zu wollen?

Im Gegenteil, in Mühlheim wurden der kommunale Finanzausgleich und die Zuweisungen im letzten Jahrzehnt genutzt, um sich auf die faule Haut zu legen, anstatt wenigstens Teile des Wohlstands selbst zu erwirtschaften, den man nur allzu gerne verteilen mochte.

Die Stadt Mühlheim hätte schon vor mehr als einem Jahrzehnt den Gürtel deutlich enger schnallen, und die Einnahmeseite verbessern müssen.

Das ist nicht geschehen – im Gegenteil Mühlheim hat die Verwendung von Mitteln verstetigt, als gäbe es kein Morgen.

Unangenehm aufgefallen ist offensichtlich auch nicht, dass 8 von 10 Haushaltsjahre im Zeitraum 2012 bis 2021 mit negative Finanzierungssalden im Kern-Haushalt abgeschlossen wurden.

Selbst die eindeutigen Hinweise des Hessischen Rechnungshofes, der 3 von 5 Haushaltsjahre im Zeitraum 2015 bis 2019 als „instabil“ einstuft, wurden nicht ernst genommen. 

Aber hier unten im Foyer in einer Vitrine steht immer noch der SparEuro. Man müsste lachen, wenn es nicht so erbärmlich wäre.

In der Zeit von 2011 bis 2022 sind die Schulden von 29M auf unfassbare 57M angestiegen. Ohne die Entschuldung der Kassenkredite durch die Hessenkasse im Jahr 2018 wären wir jetzt bei 77M.

Das wäre eine Pro-Kopf Verschuldung von2000 €, egal ob Kleinkind oder Greis. EIne vierköpfige Familie hat 8.000,-€ städtische Schulden

Das Geld war halt jahrzehntelang billig. 

Just letzte Woche las ich im Focus ein Interview mit Jürgen Heraeus: „Billiges Geld macht dumm“ sagt er da.

Das ist natürlich hart formuliert, aber in Zeiten billigen Geldes ist es halt allzu leicht, Kredite aufzunehmen und irgendwann ist die Party halt vorbei.

Eigentlich muss ich nur wiederholen, was ich vor 2 Jahren an dieser Stelle schon mal gesagt habe.

Die Gewerbesteuer ist in der letzten Dekade bei rund 7M gleichgeblieben, allein inflationsbereinigt hätten es rund 10M sein müssen. Wir haben also real Kaufkraft eingebüßt.

Nun ein Ratespiel:

Es gibt 566 kreisgebundene Kommunen vergleichbarer Größe in Deutschland.

Die Einnahmen pro Kopf aus der Gewerbesteuer – raten sie mal auf welchem Rang Mühlheim da steht?

Rang 539 von 566, es gibt also in ganz Deutschland noch 27 Kommunen, die noch schlechter sind als wir!

Ich könnte jetzt noch tonnenweise solche grausamen Zahlen runterleiern, aber das erspare ich Ihnen und mir.

Natürlich ist auch uns klar, dass es ein Webfehler ist, dass Teile der kommunalen Finanzierung mit der Gewerbesteuer von der voilatilsten Steuer abhängt, die man sich denken kann, aber damit muss man nun mal aktiv leben!

Und genau das ist in der Vergangenheit nicht geschehen! Fragen sie mal die großen Gewerbesteuerzahler, wie oft der frühere Bürgermeister bei Ihnen war.

Ich glaube im HH 2022 konnten wir von 36 Wirtschaftsförderungsmaßnamen lesen.

36 Termine macht der Bürgermeister und sein Wirtschaftsförderer heute locker in 14 Tagen.

Die gute Nachricht – und man soll ja Vorträge mit einem positiven Ausblick beenden – es hat sich was getan!

Die FDP-Fraktion hat von Anfang an auf die prekäre Situation hingewiesen und wir nehmen selbstbewusst für uns in Anspruch -Wir haben das Bewusstsein geschaffen, dass sich hier grundlegend was ändern muss.

Und wir haben unter der Führung von Bürgermeister Hr. Dr. Krey damit begonnen!

Daher haben wir heute einen Stadtrat, der sich dediziert um Stadtmarketing kümmert. Ein Beispiel was sie alle kennen ist die Azubi Messe im September.

Wir haben einen Wirtschaftsförderer, der auch wirklich die Zeit aufbringen kann, sich um Dinge zu kümmern, die die Stadt wirtschaftlich nach vorne bringen.

So war auf Vermittlung der FDP Fraktion eine Delegation der Stadt vor knapp 14 Tagen in der Taipeh Vertretung in Frankfurt um dort Netzwerke zu knüpfen.

Woran es uns leider fehlt sind entsprechende Flächen zur Ansiedlung von Gewerbe, die uns Arbeitsplätze und Steuererträge bringen.

Der Donsenhard muss erst für teuer Geld entwickelt werden, aber wenn wir heute nicht beginnen, wird der Abwärtstrend anhalten, die Bürger werden weiter belastet werden, die Leistungen werden schlechter werden.

Und es wird Jahre dauern vielleicht auch Jahrzehnte, bis wir die Versäumnisse der letzten Dekade aufgeholt haben.

Und das bringt mich am Ende zu noch einem letzten Zitat, in auf den Anlass angepasster Form.

Dieses stammt von meinem Parteivorsitzenden und Bundesfinanzminister Christian Lindner aus seiner diesjährigen Dreikönigsrede:

„Ich nehme jede Missbilligung von FDP-Anhängern immer an, aber von der Tybussek SPD nehme ich keine Beschuldigung entgegen, dass wir nicht schnell genug darin sind, den hinterlassenen Scherbenhaufen zusammenzukehren.“ 

Vielen Dank an die Mitarbeiter der Verwaltung und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.